Text (kursiv) : Stephan Kolb aus dem Buch "Die Geschichte der Bad Nauheimer Juden"
Alte Synagoge
Die erste Synagoge auf Nauheims Boden wurde 1867 eingeweiht. Sie befand sich beim Durchgang Alicestraße und Karlstraße, wo heute die Büchergalerie ist.
Im Jahr 1929 wurde sie von der heutigen Synagoge abgelöst und auf Abbruch verkauft.
Bereits 1907 dachte man innerhalb der jüdischen Gemeinde Bad Nauheims daran, eine neue Synagoge zu bauen. Der stets zunehmende Besuch von Kurgästen legte diesen Gedanken nahe.
Im Jahre 1920 wurde von Louis Löb ein Grundstück in der Karlstraße erworben. 1927 stellte ein Kurgast aus München, Herr Albert Kaufmann, zinslos ein Darlehen in Höhe von 40 000 Goldmark zur Verfügung.
Grundsteinlegung
"Nachdem die bürgerliche Gemeinde und die Vorstandsmitglieder persönlich die Bürgschaft für die Rückzahlung des Geldes übernommen hatten...", konnte mit dem Bau begonnen werden. Der Kunstmaler Otto-Franz Kutscher nahm die Ausmalung der Fenster vor. An den Bauarbeiten waren ausschließlich örtliche Bauhandwerker beteiligt.
Die Synagoge wurde von 1927-29 im Bauhausstil erbaut.
Das Foto wurde zur Grundsteinlegung 1927 aufgenommen.
Am 14.03.1939 wurde das Synagogengebäude an die Stadt Bad Nauheim verkauft. Als Beauftragte der jüdischen Gemeinde fungierten: Albert Spiegel, Berthold Baer, Hermann Floersheim und Sally Rosenthal. Das Gebäude wurde während des Krieges als Depot zweckentfremdet genutzt.
Nach 1945
Dass die Bad Nauheimer Synagoge nicht, wie es fast allen Synagogen geschah, abgebrannt wurde, hat Peter Busse, der erste deutsche Jude, der die Synagoge im Jahre 1945 wieder betreten hat, so beschrieben: "Einige mutige Männer waren noch rechtzeitig in der Lage, das Feuer zu löschen..."
Sofort nach dem Einmarsch der Amerikaner im März 1945 wurde die Synagoge mit Mitteln der Stadt als Gotteshaus hergestellt. Am 27.04.1945 fand in der Synagoge erstmals seit 1938 ein Gottesdienst statt. Im Jahre 1945 waren laut Paul Arnsberg teilweise bis zu tausend Juden in Bad Nauheim ansässig. Die jüdische Bevölkerung bestand aus amerikanischen Soldaten, die oft Kinder deutscher Emigranten waren, ferner so genannten Displaced Persons, d.h. ehemalige Zwangsarbeiter aus Osteuropa, und KZ-Überlebenden.
Der Vorbau
Architekt Kaufmann schrieb: "Der Baustil der Synagoge fällt durch seine schlichte Sachlichkeit auf". Der Vorbau in der Karlstraße, ein hochgezogener Kubus ohne Dach, lässt das Gebäude aus der Reihe der Wohnhäuser wirkungsvoll heraustreten. An den Vorbau schließt sich nach Osten der eigentliche Synagogenraum.
Foto: Studio Jemanda Photography
Ostseite
Da der Osteingang am Bethaus fast drei Meter tiefer liegt als die Karlstraße, war die Errichtung eines von Osten zugänglichen zweiten Erdgeschosses möglich, in dem die sogenannte Wintersynagoge und die Lehrerwohnung untergebracht sind.
Heute befinden sich dort ein Gemeindesaal, eine Küche und eine Wohnung für den Rabbiner bzw. den Vorbeter.
Foto: Studio Jemanda Photography
Mikwe
Im Untergeschoss des Westbaus befindet sich das rituelle Bad (Mikwe), im Erdgeschoss die Vorhalle zur großen Synagoge, im ersten Stock ein Sitzungszimmer und darüber noch ein 80-100 Personen fassender Vortragsraum.
Im Rahmen der Sanierungsmaßnahmen 2012-2014 wurde die Mikwe komplett saniert.
In dem "Sitzungszimmer" befindet sich heute das Gemeindebüro und im "Vortragsraum" die Bibliothek und der Seniorenclub.
Foto: Studio Jemanda Photography
Synagogenraum
Der große Synagogenraum hat 250 Sitzplätze. Der äußeren Schlichtheit des Gebäudes entspricht auch die des Inneren. Auf ornamentalen Schmuck von Wand und Decke ist ganz verzichtet worden. Warme Farbgebung und helles Licht von außen ersetzen die Dekoration. Zwei Säulen rechts und links vom Mittelgang tragen die Frauengalerie.
Der Blick konzentriert sich auf die kultisch bedeutungsvollste Stelle der Synagoge, den in der Mitte des Raumes stehenden Almemor, den Platz für die Thoravorlesung, der einen in der Höhe sich baldachinartig schließenden Aufbau trägt.
Foto: Knufinke 2007
Synagogenraum
Dahinter auf der Estrade die aus Marmor gefertigte heilige Lade, in der die Thorarollen verwahrt sind.
Dem Charakter des Raumes angepasste Kultgegenstände ergänzen die Ausstattung. So stellt die neue Synagoge eine glückliche Verbindung von Zweck- und Kultbau dar. Möge sie allezeit der israelitischen Gemeinde zum Segen und der Stadt zur Zierde gereichen.
Foto: Knufinke 2007